Es ist Zeit Haltung zu zeigen

Es gibt Menschen, für die ist Haltung nicht etwas, was sie sich überwerfen wie eine modische Jacke, sondern für die ist Haltung förmlich Teil ihrer DNA, ja vielleicht sogar ein eigener Körperteil.

Ein solcher Mensch ist Ingrid Bachér.
Seit Dezember 2017 darf sich die SPD freuen, einen aufrechten Menschen mehr als Mitglied in ihren Reihen zu wissen.

Keine Liebe auf den ersten Blick. Kein jugendlicher Sturm-und-Drang. Aber wie Ingrid Bachér sagt: „Wenn man wütend ist, wird man politisch“. Und die derzeitigen Verhältnisse in Deutschland nach der Bundestagswahl im September 2017, aber erst recht nach den Diskussionen um eine Wiederauflage der GroKo, haben Ingrid wütend gemacht.

Die Zustimmungswerte der AfD und der Rechtsnationalen werden immer stärker, die soziale Kälte nimmt zu, die Menschen verlieren das Vertrauen in die Demokratie. All das und die schrecklichen Konsequenzen musste Ingrid Bachér schon einmal erleben: in Ihrer Jugend im Dritten Reich. Denn sie ist Jahrgang 1930.

Aber anders als andere, die sich im Herbst des Lebens eingehüllt in eine Rheumadecke an ihrem Ruhestand freuen, ist Ingrid noch immer ein politischer Mensch, nimmt nicht nur Anteil, sondern mischt sich ein. Wie 2013, als sie die Aktion „Taten statt Worte“, eine Unterschriftenaktion gegen Rechtsextremismus, initiierte und über 350 Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler als Unterstützer aktivieren konnte. „Einer muss eine Lunte legen“, dann kann man auch andere Mitstreiter für seine Überzeugungen finden und etwas bewegen, so ihr Lebensmotto.

Schon mit 17 Jahren stand sie fest auf eigenen Beinen und ließ sich in Hamburg an der Hochschule für Musik und Schauspielerei ausbilden. Früh wurde ihr literarisches Talent gefördert und so schrieb sie bald Texte für Tageszeitungen, aber auch Theaterstücke. Als Mitglied der Gruppe 47 mischte sie sich schon früh in die politischen Diskurse der Nachkriegszeit ein. 1958 dann der Durchbruch als Schriftstellerin. Es folgen viele erfolgreiche Jahre als Schriftstellerin und Verfasserin von Beiträgen für Funk und Fernsehen, später auch als Präsidentin des renommierten PEN Clubs. Dabei immer: politisch interessiert, sich einmischend und seit den 70igern („Wegen Brandt!“) auch in der SPD engagiert. „Wenn man in einer Partei ist, muss man seine Haltung auch äußern und sich einmischen“, so formuliert sie es.

Die Enttäuschung folgte in den 90-igern mit dem Beschluss der Partei zum Asylkompromiss. Da zieht sie – aufrecht wie ist – die Konsequenz und tritt aus. Natürlich nicht, ohne der Parteispitze noch einmal in einem Brief ausführlich die Leviten zu lesen. Just jener Brief fiel ihr nun zufällig wieder in die Hände, als sie mit sich rang, wieder einzutreten, inspiriert durch Martin Schulz und seinen Kampf um mehr Gerechtigkeit in unserem Land. Denn das sind die Werte, für die, ihrer Meinung nach, in der SPD gerungen
werden sollte.

Schnell stand für sie fest: ich mache wieder mit, ich ertrage nicht nur, sondern ich gestalte. Wenngleich eines klar ist: eine Neuauflage der GroKo ist mit ihr nicht zu machen. „Dann trete ich aus!“.

Aber bis dahin kämpft sie – mit der Feder. Auf die Frage, wie sie sich an der Erneuerung der Partei beteiligen möchte, sagt sie bescheiden „Ich kann euch nur Texte schreiben!“. Aber jeder, der Ingrid Bachér schon einmal begegnet ist, weiß: ihre Texte sind messerscharf. Genauso wie ihr Verstand. Und mit diesen beiden Waffen versucht sie bis zum Schluss zu verhindern, dass die SPD wieder „den Wackeldackel der Merkel-Regierung“ macht.

In einer Zeit, in der der Politikbetrieb immer mehr zu einer Werbekampagne verkommt und es immer weniger um Inhalte geht, empfiehlt sie, innezuhalten und darüber nachzudenken, was wirklich wichtig ist. „Ich habe 3 Kinder und 5 Enkel. Was hinterlässt man denen?“

Man kann Martin Schulz und der Parteispitze nur raten: hört gut zu.